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Ja, ABER...


Der Hauptmann von Köpenick konnte sich noch des totalen Gehorsams aller Menschen erfreuen, nur weil er eine Uniform trug, und der Kaiser selbst fand das sogar höchst vorbildlich. Nach dem zweiten Weltkrieg hat man uns in Deutschland Gott sei Dank beigebracht, selbst zu denken und Dinge zu hinterfragen. Fast immer aber, wenn man vom Pferd fiel, ist die Gefahr groß, nun auf der anderen Seite das Gleichgewicht zu verlieren - und uns Deutschen fällt es seither ziemlich leicht, uns einen Ruf als Kritiker und Besserwisser zu verschaffen, weil wir das Haar in der Suppe sofort erkennen und uns nicht scheuen, es auch sogleich anzusprechen. Deshalb möchte ich ganz meiner deutscher Herkunft entsprechend auch sogleich damit beginnen, was es an der Täufern auszusetzen gäbe.

Nein, auch die Täufer waren nicht perfekt. Wie schon erwähnt, wer lange hinterm Gaul hergeschliffen wurde, fällt schnell auf der anderen Seite runter. Es gab einige äußerst kuriose und merkwürdige Entwicklungen die man heute vielleicht als "charismatischen Fanatismus" bezeichnen würde. Allerdings, so muss betont werden, war dies eher die Ausnahme als die Regel. Die größte Katastrophe der Täufertums ereignete sich in Münster, wo einige aus Holland kommende Endzeitpropheten verkündigten, dass hier dann bald das "Neue Jerusalem" ankommen werde. Einigen wenigen Leitern, die sich den Täufern zugehörig fühlten, gelang es, die ganze Stadt unter ihre Herrschaft zu bringen. Münster wurde von Truppen belagert und irgendwann schließlich wieder befreit. Viele Tausend Menschen verloren dabei ihr Leben. Die drei hauptverantwortlichen Leiter dieser Katastrophe wurden gefoltert und getötet, ihre Leichen schließlich in Käfigen am Kirchturm aufgehängt und den Vögeln öffentlich zum Fraß vorgeworfen. Erst im 19. Jahrhundert wurden ihre sterblichen Überreste wieder entfernt; die leeren Käfige aber hängen heute noch als Symbol des Triumphs der Kirche über die Schreckensherrschaft der Täufer.

Dieses Desaster war ein Trauerspiel. Es lehrt uns, ganz besonders aufmerksam zu bleiben, wenn es darum geht, Balance zu halten. Es gibt so etwas wie eine geistliche Gravitation: sobald man aufhört, Acht zu geben, fällt man nach unten. In dieser Welt geschieht das Böse fast wie von selbst, wohingegen das Gute immer Mühe und Einsatz kostet.

Doch nochmals: So falsch und grausam die Geschehnisse von Münster waren und so missraten auch manch andere Entgleisung, es waren insgesamt gesehen Ausnahmen. Natürlich nutzen die großen Kirche alle diese Dinge aus, um den Ruf der Täuferbewegung zu ruinieren und auch all die anderen, redlichen und treuen Jesusnachfolger als anrüchige Verbrecher erscheinen zu lassen. Zu einem großen Teil ist es ja auch gelungen - und viele Täufer haben aufgrund all dieser Ereignisse Deutschland oder sogar Europa verlassen. Die ganze Täuferbewegung hingegen mit den Käfigen in Münster zu identifizieren oder als gefährliche Untergrundsektierer abzutun ist genauso fair, wie alle Deutschen mit Hakenkreuzen abzustempeln und als Nazis zu bezeichnen (ich denke, alle Deutschen [und vielleicht besonders die im Ausland] wissen, wie unfair sich das anfühlt).

Von daher möchte ich darauf zu sprechen kommen, warum ich denke, dass ausgerechnet die Täufer für den Gemeindebau im 21. Jahrhundert ein leuchtendes Vorbild werden könnten. Dies möchte ich tun, indem ich drei Bücher vorstellen werde, die interessanterweise alle von britischen Autoren stammen.

(Warum eigentlich nicht von deutschen Autoren? Ich kenne ehrlich gesagt keine deutschen Bücher zu dieser speziellen Thematik (Jüngerschaft im 21. Jahrhundert), aber ich bin auch nicht mehr ganz up-to-date, was den frommen, deutschen Buchmarkt angeht. Wer also nach meinen Buchvorstellungen ähnliche, relativ neu veröffentlichte Bücher von germanischen Autoren kennt, möge sich bitte melden. Gerne veröffentliche ich hier unter Deinem Namen auch Deine Rezension, wenn Du ein Buch empfehlen kannst! Nur zu!)

Käfige an der Lambertikirche in Münster, durch welche die Untaten der Täufer bis heute zur Schau gestellt werden. (Foto aufgenommen von mir im August 2009.)

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