Direkt zum Hauptbereich

朋友 (Péngyǒu)

Das ist das chinesische Wort für "Freund". Vorgestern habe ich es gelernt, denn seit zwei Wochen habe ich einen neuen Péngyǒu aus China. Er wurde mir über die Göteborger Organisation "Flüchtling-Guide" vermittelt, und nun treffen wir uns mehrmals im Monat. Ich will sein Freund, sein Péngyǒu sein, und er gerne meiner. Zur Kommunikation stehen uns nur chinesisch, sein sehr gebrochenes schwedisch, Kreativität und Google zur Verfügung, was die Sache recht interessant macht.

Neben meinen neuen Erfahrungen mit chinesischer Kultur wachsen zur Zeit übrigens auch meine Einsichten über die pakistanische Sicht der Welt; mein Gaumen hatte in den vergangenen Monaten gleich zweimal die Freude, von pakistanischer Kost verwöhnt zu werden. Es ist schon ein Erlebnis,  nicht im vertrauten Rahmen eines Restaurants zu sitzen, sondern mitten im pakistanischen Wohnzimmer, in einer Familie, wenn die ganze fremde Kultur plötzlich "echt" wird.

Zum Glück bin ich hier selber Ausländer. Das ganze Gewicht der Arroganz des Einheimischen nahm Gott beim Verlassen deutschen Bodens von meinen Schultern. Nun weiß ich, wie es sich anfühlt, keine Ahnung zu haben, was diese Rechnung denn bloß bedeutet, und wie, verflixt nochmal, man eine Rechnung überhaupt bezahlt in diesem Land. Ich kenne zum Beispiel auch dieses Scheißgefühl sehr gut, wenn man was gesagt hat und dann alle sich vielsagend anschmunzeln und man selbst keine Ahnung hat, in welches Fettnäpfchen man denn jetzt wieder getappt ist.

Aus-län-der. Im-mi-grant. Doch es gibt andere, denen geht es noch viel, viel schlechter. Das merke ich dieser Tage, wo das sonst so wunderbar anomyme Wort "Ausländer" für mich obendrein auch noch einen afghanischen Namen bekommt, ein Gesicht, eine Stimme, eine Geschichte, einen Freund. Ich höre nicht nur seine Schilderungen, sondern spüre regelrecht, einen Augenzeugen des Landes vor mir zu haben; ich fühle, wie Afghanistan ein echtes Land wird - mehr als nur eine Nachricht auf der Mattscheibe. Ta-li-ban - plötzlich kenne ich wen, der sie kennt, die Kämpfer drängen sich unsichtbar meiner eignen Komfortzone auf. Und dann - ja, dann mache ich eine Erfahrung, vor der ich mich in Deutschland gerne gedrückt habe. Plötzlich beginne ich eine Gänsehaut auf dem eigenen Rücken zu spüren beim Lesen des offiziellen Briefes, der vom "Beschluss zur Abschiebung" handelt. Freund, wie kann man hier ein Freund sein?!

Hat jemand mal gezählt, wie oft in der Bibel geboten ist, dass wir den Fremdling aufnehmen sollen? Wer die Anzahl der direkten und indirekten Aufforderungen weiß, möge sein Wissen bitte doch in einem Kommentar den anderen Lesern und mir hinterlassen. Als Christen ist es uns jedenfalls ausdrücklich geboten, uns um Ausländer zu kümmern. Und wenn sich die Demografie der Welt so weiterentwickelt wie bisher, dann wird es den Weißen des Westens nicht mehr lange möglich sein, sich hinter Gemeindewänden zu verbarrikadieren. Ich bin froh, hier in Angered lernen zu dürfen, diese Tatsache zu akzeptieren.

Die Welt versucht verzweifelt, moderne Integrationskonzepte zu entwickeln. Integration ist jedoch keine politische Herausforderung, sondern eine Frage der Versöhnung. Und echte Versöhnung gibt es nur in Christus. Versöhnung ist unser Geschäft. Ein 朋友 zu sein, ein دوست, ein friend, ein Freund oder ein vän, das ist keine Sache der Sprache, sondern des Herzens. Jesus ist unser Freund - und wir sollten den Menschen einfach zeigen, wie es ist, so einen Freund zu haben. Der Leib Christi hat alle Ressourcen, der Welt vorführen zu können, wie echte Integration aussieht. Auf geht's!

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

CA Leadership Summit 2012

Viele neue kirchliche Initiativen sind "cool" - und wollen es auch sein. Man will Kirche interessant machen, raus aus dem Langeweiler- und Blablaimage. Und tatsächlich - so manche Initiative ist nicht nur cool , sondern hat auch echtes geistliches Potential und viele missionarische Impulse. Und dann? Ein toller Start ist nicht alles. Wie geht's weiter? Wo geht's hin??? "Kennzeichen eines heranreifenden missionalen Projektes" war das Thema der diesjährigen CA-Leiterschaftskonferenz. Rund 110 Teamleiter, Pastoren, Projektleiter und geladene Leiter aus Partnerorganisationen trafen sich im frühlingshaften England, um genau diese Frage "Und dann?" zu diskutieren. Christian Associates legt sehr viel Wert darauf, dass alle gegründeten Projekte sich gesund entwickeln. Ein Pionierprojekt soll nicht nur kontextualiert ("cool" :-)) beginnen (und durchaus lebenslang cool bleiben!), sondern mittel- oder langfristig auch alle Kennzeichen einer reife...

CA CONNECT 2015!

Live im Blog. Über diesen Blogpost könnt Ihr in den nächsten Tagen unsere beiden Konferenzen Leadership Summit und CONNECT mitverfolgen. Einfach immer wieder auf denselben Post klicken (diesen hier) - er aktualisiert sich automatisch mit allen möglichen neuen Beiträgen aus Facebook, Twitter, Instagramm & Co. Die neuen Beiträge finden sich UNTEN im Post - also einfach über das gestern Gelesene herunterscrollen.  Und weil's so ein wichtiges Thema dieses Jahr auf CONNECT ist, bitte beten nicht vergessen!  Ach ja, noch was: Klickt gerne auf das kleine Herzchen ganz oben. Auf diese Weise bekommen wir ganz einfach ein bisschen mehr Aufmerksamkeit im Netz. DANKE! [ View the story "Prague CA Europe Connect 2015: Credible Communication of the Incredible Gospel" on Storify ]

Schwerwatlos

Interessant zu merken, wenn das eigene Hirn, der Geist an seine Grenzen stößt. Das kommt bei mir nicht oft vor, doch jetzt war's soweit. Heimgekommen von einem extrem ausfüllenden Forge-Wochenende mit anschließendem Treffen mit unserem Serve the City-Leiter in Brüssel (die ganze CA-Serve the City Bewegung kommt aus Brüssel), gibt es kaum eine Minute zum echten Ausruhen zu Hause. Und obwohl ich dachte, dass ich doch noch gar nicht sooo alt bin, so wollen Körper und Geist nicht mehr immer so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Oder, wie mir gestern ein weiser Jogger sagte: " Du bist jung im Herzen geblieben, wenn dein Wille stärker ist als deine Muskeln und deine Muskeln stärker als die Gelenke und Bänder. " Über die nächsten Tage also ein paar Updates aus meinem aktuellen Leben... Studentfest: Wenn ein Kind in Schweden die Schule verlässt, gleicht das Ausmaß die Feierlichkeiten einer orientalischen Hochzeit. Wer mehr zum Studentfest unseres Sohnes sehen möchte, kann...