Neulich bat mich meine Frau, sie abends mit dem Auto abzuholen. Es war ein sehr kalter, dunkler Januarabend. Am Tag zuvor hatte es geschneit. Wie immer kam der Schneepflug eine Woche zu spät. Nachdem der Wagen freigelegt und -gekratzt war, konnte ich losfahren. Doch irgendwas stimmte nicht. Ich hielt an, gab wieder etwas Gas und ließ die Kupplung kommen. Der Motor heulte, die Räder drehten auf fast flacher Straße durch. In seinem 17. Winter hatte unser Bulli sich zum ersten Mal die Handbremsen festfrieren lassen.
Alle Versuche, sie zu lösen, scheiterten. Das war insofern ein größeres Problem, als ich unseren Sohn am nächsten Morgen um fünf Uhr zum Flughafen bringen musste. Geduld, Hämmerchen, Holzklötzchen und Heißluftföhn waren schließlich die Tricks, die zur Lösung führten.
Was unser Auto in 17 Jahren zum ersten Mal erlebte, passiert mir als Mensch seit zehn Jahren jeden Januar: Die Handbremsen frieren fest. Es bedeutet, dass man die gleiche Menge Energie, die man sonst zur Fortbewegung auf dreihundert Metern verbraucht, nun allein beim erfolglosen Versuch verbrennt, sich überhaupt in Bewegung zu setzen. Man gibt mehr Gas, doch die Räder drehen durch. Gelingt es dennoch, Fahrt aufzunehmen, so geht alles sehr träge voran und jede Bewegung kostet extrem viel Kraft. Ignoriert man dies, läuft man heiß und richtet größeren Schaden an. Beim Menschen heißen festgefrorene Handbremsen SAD oder Seasonal Affected Disease (jahreszeitlich bedingte Krankheit), zu deutsch umgangssprachlich einfach Winterdepression. Ich weiß noch genau, wie ich mich im Januar 2007 eines Morgens im Schlafzimmer unseres neuen Heims in Göteborg zum allerersten Mal fragte, warum plötzlich das Aufstehen, die Zahnbürste, der Tag, die Woche, das ganze Leben vor mir so schwer und sinnlos erscheint.
Seither habe ich eine Menge Gegenmaßnahmen ergriffen. Einen Hund, der täglich eine Stunde Auslauf braucht. Sport, Obst, ein Lichtwecker. Viel Fisch essen und zusätzlich Vitamin D einnehmen. Alles hilft ein bisschen, und zusammengenommen hilft es spürbar. Trotzdem friert man Jahr für Jahr ein bisschen fest, mal mehr, mal weniger.
Vitamin D-Mangel ist wohl der Hauptgrund. Das Sonnenvitamin wird in der Haut durch UV-Strahlung gebildet und beeinflusst unseren Haushalt der Hormonkontrahenten Melatonin und Serotonin. Serotonin macht dich wach und fit am morgen, Melatonin müde und träge am Abend. Leicht zu sehen, wo bei Winterdepressiven das Ungleichgewicht liegt. Anders als Vitamin C, dass einfach ausgeschieden wird, nimmt man zuviel davon, lagert sich Vitamin D im Körper an. Zuviel des Guten kann schädlich sein, und deshalb werden wir im Sommer braun. Das ist unser eingebauter Lichtfilter, damit die Haut nicht zu viel herstellt. Hier im Norden steht die Sonne im Winter aber so tief, dass kein UV-Licht mehr durchkommt. Selbst an wolkenlosen Tagen nackt im Schnee tanzend wird Null Vitamin D gebildet. Im Januar sind entsprechend alle D-Tanks trockengefahren. Das Melatonin übernimmt die Herrschaft, die Depression nimmt ihren Lauf. Neben den üblichen Symptomen einer Depression kann man einen verrückten Appetit entwickeln. Oder Stressymptome. Durch die fehlende oder zu späte Mogendämmerung verschiebt sich der Biorhythmus leicht in eine Art Jetlag. Auf der verzweifelten Suche nach jedem noch so kleinen UV-Strählchen wird die Haut weiß wie Papier und die Seele schwarz wie Tinte.
Anstrengend ist neben der eigentlichen Krankheit die Tatsache, dass man damit meist allein ist. Kein Depressiver will mit anderen Depressiven reden. Das baut selten auf. Doch auch nicht-Depressive wollen davon nicht viel hören. Wie wohl jede Krankheit muss man sie wohl allein auskurieren.
Doch die gute Nachricht ist, dass es sich eben doch nur um eine jahreszeitlich bedingte Störung handelt. Bis jetzt ist jeder Januar noch zu Ende gegangen. Und spätestens im April sieht die Welt wieder ganz anders aus.
Vitamin D-Mangel ist wohl der Hauptgrund. Das Sonnenvitamin wird in der Haut durch UV-Strahlung gebildet und beeinflusst unseren Haushalt der Hormonkontrahenten Melatonin und Serotonin. Serotonin macht dich wach und fit am morgen, Melatonin müde und träge am Abend. Leicht zu sehen, wo bei Winterdepressiven das Ungleichgewicht liegt. Anders als Vitamin C, dass einfach ausgeschieden wird, nimmt man zuviel davon, lagert sich Vitamin D im Körper an. Zuviel des Guten kann schädlich sein, und deshalb werden wir im Sommer braun. Das ist unser eingebauter Lichtfilter, damit die Haut nicht zu viel herstellt. Hier im Norden steht die Sonne im Winter aber so tief, dass kein UV-Licht mehr durchkommt. Selbst an wolkenlosen Tagen nackt im Schnee tanzend wird Null Vitamin D gebildet. Im Januar sind entsprechend alle D-Tanks trockengefahren. Das Melatonin übernimmt die Herrschaft, die Depression nimmt ihren Lauf. Neben den üblichen Symptomen einer Depression kann man einen verrückten Appetit entwickeln. Oder Stressymptome. Durch die fehlende oder zu späte Mogendämmerung verschiebt sich der Biorhythmus leicht in eine Art Jetlag. Auf der verzweifelten Suche nach jedem noch so kleinen UV-Strählchen wird die Haut weiß wie Papier und die Seele schwarz wie Tinte.
Anstrengend ist neben der eigentlichen Krankheit die Tatsache, dass man damit meist allein ist. Kein Depressiver will mit anderen Depressiven reden. Das baut selten auf. Doch auch nicht-Depressive wollen davon nicht viel hören. Wie wohl jede Krankheit muss man sie wohl allein auskurieren.
Doch die gute Nachricht ist, dass es sich eben doch nur um eine jahreszeitlich bedingte Störung handelt. Bis jetzt ist jeder Januar noch zu Ende gegangen. Und spätestens im April sieht die Welt wieder ganz anders aus.
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