Als guter Christ versuchte ich natürlich, es mit der Fassung eines reifen Mannes zu nehmen, mir von alledem auf keinen Fall etwas anmerken zu lassen. Natürlich. Das erwartet man von einem Mann in meiner Position.
Eine Sache war allerdings neu. Jener Satz wollte nicht mehr von mir ablassen, seit ich ihn gelesen hatte:
Wage die Konfrontation mit der Leere.
Leere.
Leere. Das Gegenteil von Fülle.
Es traf den Nagel einfach auf den Kopf. Leere klingt schon so hohl und langweilig mit seinen drei Es. Etwas, dass es um jeden Preis zu vermeiden gilt. Läuft nicht die ganze Welt der Leere davon? Säuft man sich nicht voll, um der Leere zu entkommen? Baut nicht alle Werbung darauf, dass dein Leben weniger leer ist, wenn du dieses Produkt kaufst?
Und die Christen erst!
Wenn dein Leben leer ist, who do you call? Leer-Busters! Seit meiner Bekehrung vor über dreißig Jahren habe ich gelernt und gelehrt (!), dass Jesus dein Leben erfüllt, mehr als alle Ersatzdrogen der Welt, weil Gott die Fülle ist und wer mit dem Heiligen Geist erfüllt ist, hat das volle Maß an Leben, nicht nur randvoll, sondern zum Überlaufen. Jede Menge Bibelstellen hätte ich aus dem Eff-Eff zitieren können. So muss das fromme Leben sein, und wenn es nicht so ist, läuft etwas falsch. Wie oft hatte ich das selbst gepredigt?!
Wie oft hatte ich für Geschwister im Herrn um neue Erfüllung gebetet? Wie oft hatten wir versucht, die Leere wie einen Dämonen auszutreiben? Welche Probleme hatte es uns allen bereitet, wenn genau dies nicht gelingen wollte?
Wieviele hatten mir gebeichtet, keine Christen werden zu wollen, weil Christen ihnen zu maskenhaft seien? Und wie hieß die junge Frau nochmal, die mir erzählte, sie werde die Gemeinde wieder verlassen, weil sie sich mit ihrem problembehafteten Leben inmitten all der lebensvollen Christen völlig deplaziert und unverstanden fühle? Leere war ein großes Problem, und große Probleme galt es nicht zu haben. Nicht in frommen Kreisen.
Und nun das! Wage die Konfrontation mit der Leere... Ein unverschämter Widerspruch zu allem, was ich kannte, und er ließ mich nicht mehr los.
Seit einer guten Woche grübelte ich über den Mut, es zu wagen. Mich der Einöde zu stellen. Als ob das Nichts kein Gegner sei. Als ob es mich womöglich sogar etwas lehren könne. Als ob dies Gottes Weg mit mir sei.
Vielleicht ist die Leere gar nicht das Problem. Das Problem ist vielleicht unsere Einstellung zur Leere.
Und damit fasste ich einen Beschluss. Fortan wollte ich nicht mehr gegen die Leere ankämpfen. Ich wollte sie nicht als Feind, sondern als Trainingspartner ansehen. Ich entschloss, der Wüste nicht zu weichen, die Leere nicht zu füllen, sie stattdessen zuzulassen. In vollem Umfang.
Vor allem würde ich allen verbieten, gegen die Leere anzubeten. Wer beten wollte, sollte anders beten: Wenn Gott diese Zeit zulässt, um mich darin zu formen, dann möge sie bitte keinen Tag, keine Minute früher aufhören, als bis Gott alles geformt hat, was er zu formen gedenkt.
Mir war, als wäre ich von einem 10-Meter Turm in den Nebel gesprungen, ohne zu wissen, ob es wirklich nur 10 Meter waren und was jenseits des Nebels wartet. Der Wind pfiff. Die Luft wurde kalt. Es ging dramatisch abwärts. Ich hatte die Kontrolle aufgegeben. Alles, was mir blieb, war Gottvertrauen.
Hätte ich so etwas wie ein Bauchgefühl gehabt, hätte es mir vielleicht gesagt, richtig entschieden zu haben.
Fortsetzung folgt.
Kommentare