Direkt zum Hauptbereich

Die Lehre der Leere (16): Viel Feind, wenig Ehr



Dass viele unserer Hoffnungen und Vorstellungen, mit denen wir 2006 ausgezogen waren, nicht erfüllt werden würden, wurde schon lange vor der Veröffentlichung des obigen Videos klar. Wir hatten geträumt. Geträumt von vielen interessanten und kreativen Ideen, einem wirklich missionalen Lebenswandel und einer daraus erwachsenden neuen, interessanten, kreativen und missionalen Gemeinde, die hoffentlich ein Katalysator für viele weitere kreative Neugründungen im neuen 21. Jahrundert sein wird. Unsere Aussendung war gewaltig und feierlich, voller Musik, Freude und Party. Nach so vielen Dingen und all den kleinen Wundern, die Gott vor aller Augen getan hatte, um all das überhaupt möglich zu machen, waren die Erwartungen hoch: Gott zog schließlich mit uns, das war allen klar. Manche sprachen von zu erwartenden Erweckungen in ganz Skandinavien.

Im Gastland angekommen, öffnete Gott noch mehr unerwartete Türen, hieß uns durch hiesige Gemeinde- und Missionsleiter herzlichst willkommen, knüpfte wichtige und strategische Kontakte in einem Land, wo wir so gut wie niemanden kannten, stellte uns ein Team zusammen. Im Schwedischsprachkurs zeigte mir eine Mitstudentin aus Uganda völlig imponiert eine christliche Webseite, auf der ein mir bis heute unbekannter Prophet irgendwo auf der Welt mitteilte, in einer Vision einen gewissen Marcus aus Deutschland gesehen zu haben, der als Missionar und Gemeindegründer nach Schweden gezogen sei, und er fordere die Welt auf, für jenen Marcus, den er persönlich gar nicht kenne, zu beten, weil eben dieser Dienst wichtig für Europa sein werde. Wie auch immer man das deuten mag, dass Gott mit uns zog, wurde bald sogar in Schweden klar.

Auch die kreativen Säfte flossen bald in Strömen, wir entwickelten Ideen und wunderbare Dinge. Wie viele Leute wir im Laufe der Zeit damit erreichten, hatte ich ja schon im Video erwähnt.

Doch die messbare Frucht ließ auf sich warten. Gewiss, wir hatten als Zielgruppe solche, die nie in eine klassische Gemeinde kommen würden, sei es, weil sie Muslime waren oder Säkulare, und diese Zielgruppe ist die schwerste, die man sich denken kann aber auch die wichtigste, weil sie wächst und immer größer und noch größer und noch umfangreicher und komplexer wird. Der Bedarf war mehr als gegeben.

Im Laufe eines Jahrzehnts lernte ich folgendes:

Christen lieben drei Dinge, das göttliche Neue, das göttliche Besondere und den göttlichen Erfolg. Hat man alles drei vorzuweisen, ist man jedermanns Liebling und eine großartige, öffentliche Karriere wartet. Hat man nichts davon, dann nicht. Als wir neu, besonders und erfolgreich nach Schweden wanderten, wurden wir gefeiert. Als das nicht mehr neu und besonders war und wir keine beeindruckenden Tauferfolge vorweisen konnten, wurden andere Neue und Besondere gefeiert.

Diese Einsicht stürzte mich gleich in eine zweifache Krise. Erstens fragte ich mich, ob ich selber auch so war. Antwort: Ich war es. Ich hätte Namen auflisten können, liebe Menschen, die von mir nicht die Aufmerksamkeit und Aufmunterung bekommen hatten, als sie sie am meisten benötigt hätten. Eine schmerzliche Einsicht, so viele Unterlassungssünden begangen zu haben. Zweitens konnte ich die Frage nicht verhindern, ob es in Wahrheit der ausbleibende messbare Erfolg war, der mich so viel Kraft gekostet hatte. Mit anderen Worten, war mein Stolz ein Hauptproblem? Hatte Gott mich in Wahrheit wie Antonius in die Wüste geschickt, um dort Demut zu lehren?

Gott war immer noch mit uns, denn eins hatte er noch nicht gemacht: Den Geldhahn zugedreht. So wundersam, wie unsere Unterstützung am Anfang zusammenkam, so wundersam hatte sie sich bis heute gehalten. Bis heute war ich für jeden Cent dankbar.

Diese dritte Einsicht war wie ein kleiner Fallschirm in meinem ansonsten mehr Fahrt aufnehmenden Fall durch's Dunkel.




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eine neue "Engelskala"?

Ich selbst kam gerade erst ins zweite Schuljahr, als die beiden Herren James Engel und Wilbert Norton ein Buch mit dem Titel " What's gone wrong with the harvest? " (Was ist mit der Ernte schiefgelaufen?) herausgaben. Nein, das Buch handelte nicht von Traktoren, Mähdreschern und Güllefässern, sondern um die Ernte der geistlichen Früchte, die Jesus von Kirche und Gemeinden erwartet. Und hier läuft ja bekanntlich so manches schief. Zur Veranschaulichung entwickelte Herr Engel, einer der Autoren, eine Skala. Auf dieser Skala konnte man leicht erkennen, wo man sich auf seiner geistlichen Reise gerade befindet. Als " Engelskala " - was nur etwas mit dem Namen des Erfinders und nichts mit Engeln zu tun hat - gelangte sie zu weltweiter Bekanntheit. Für alle, die noch nie eine Engelskala gesehen haben - so ungefähr sieht eine deutsche Version aus (von mir farblich etwas aufgepeppt): (zum Vergrößern auf's Bild klicken) Man liest die Skala im Prinzip von unten

Kein Funken Kritik

Diese Woche wurde dann der Fernsehbeitrag ausgestrahlt, in dem Seelsorgegespräche von Pfarrern und Pastoren heimlich aufgenommen wurden. Ein Journalist hatte sich als Seelsorgesuchender ausgegeben und um Hilfe für seine homosexuelle Neigung gebeten. (Ich hatte hier darüber geschrieben.) Die Sendung wurde nun hochgelobt und es gab nicht den geringsten Funken Kritik an den angewandten Methoden. Das Medienmagazin Pro berichtet von ähnlichen Fällen in Deutschland, wo Journalisten sich an kompetente Seelsorger wenden und um "Heilung" von ihrer Neigung bitten doch hinterher völlig entrüstet und aufgebracht darüber berichten, dass sie tatsächlich Hilfe bekommen haben. (Ich weiß allerdings nicht, ob hier auch heimliche Aufnahmen gemacht wurden.) Ich halte das heimliche Aufnehmenbewusst vertraulicher Gesprächssituationen wirklich für unfair und journalistisch unbegründet. Doch was will man machen? Die Welt will hören, was sie hören will, das war schon immer so. All die guten Hilf

Brückenpfeiler Nr. 1: Verankert in der Bibel

Zum ersten Teil der Serie geht's hier.  Brückenpfeiler Nr. 1: Verankert in der Bibel  Eines der tiefgründigsten und eindeutigsten Gebote Gottes findet sich im fünften Buch Mose: Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein. Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft. Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder unterwegs bist, wenn du dich niederlegst oder aufstehst. Und du sollst sie binden zum Zeichen auf deine Hand, und sie sollen dir ein Merkzeichen zwischen deinen Augen sein, und du sollst sie schreiben auf die Pfosten deines Hauses und an die Tore. (5Mos 6,4-9) Diese Worte wurden vor tausenden von Jahren gegeben, doch ihre Botschaft ist immer noch sonnenklar: Tu, was du kannst, um nie von Gottes Geboten abgelenkt zu werden. Simpel, oder? Bei uns im Westen finden wir u