Remember, remember, the 9th of November -
vor eineinhalb Jahren veränderte Jan Böhmermann das berühmte englische Gedicht zur Schwarzpulververschwörung für seinen Song "Be deutsch" - das Lied sollte wohl eine gutgemeinte Warnung aus Deutschland an die Wähler in den USA sein, denn im Lied heißt es auch:
We have once been stupid, too.
Wir sind auch mal dumm gewesen. Wir haben auch mal den falschen gewählt. Seit wir aber 2017 zum ersten Mal seit 1945 wieder (Neo)nazis in eine deutsche Regierung einladen, lässt sich über die Aussage streiten, wir seien nur dumm gewesen und hätten seither dazugelernt.
Natürlich haben längst nicht alle für die AfD gestimmt. Doch bei einer so hohen Wahlbeteiligung sind die absoluten Zahlen trotzdem irgendwie erschreckend. Aber es reicht nicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Diese Strategie ist zwar urmenschlich, hat sich aber seit dem dritten Kapitel der Bibel noch nie ausgezahlt. Denn wie ich schon in meinem Blogpost "Let's make Europe GREAT again" vermutete, so ist die Angst vor Unsicherheit und Veränderung der Auslöser vieler Kurzschlüsse. Und diese Angst regiert mit mehr oder weniger Mandaten in jedem von uns - Christen eingeschlossen.
Soeben von den Thinklings aus Marburg zurückgekommen, klingt mir der ganze 500-Jahre-Reformations-Hype noch gut im Ohr. Gewiss, die Reformation war ein riesiges Ereignis und sie war nötig. Doch unser weichgezeichnetes, gefiltertes und verklärtes Bild von Luther & Co. lässt uns nur die Veränderung glorifizieren, die vor 500 Jahren geschah. Die ist nämlich so schön ungefährlich. Wer heute Luther am lautetsten feiert, macht sich verdächtig, ihn vor 500 Jahren niedergemacht zu haben.
Veränderung tut fast immer weh. Deshalb will jeder zurück zur guten, alten Zeit. Trump soll Amerika wieder great machen, die Briten wollen zurück zur alten Selbstbestimmung auf der Insel, und Deutschland soll endlich wieder den Deutschen gehören. Die AfD ist ein messbarer Beweis dafür, wie schwer sich unser Land mit Veränderung und Erneuerung tut.
Das wird Auswirkungen für die Frommen des Landes haben. Die Zeit rückt näher, da es an uns Christen liegt, Stellung zu beziehen. Die Frage wird sein, wie wir heute mit Reformation und neuer Reformation umgehen können. Welche Wahl werden wir treffen?
Schlagen wir uns auf die Seite der Xenophoben (das altgriechische Xenophobie heißt übrigens wörtlich Fremdenangst, die Angst vor dem Unbekannten)? Soll uns die Angst zum Angriff als beste Verteidigung motivieren, und sei es nur als winziges Wahlkreuz in der Urne, wo es keiner sieht?
Reicht es uns, zur großen Masse der Mainstreamchristen zu gehören, denen Glaube nur ein Sonntagssahneklecks im Alltag ist und Gemeinde ein weiches Seelsorgesofa? Wollen auch wir nur Reformationen feiern, die jahrhundertealt sind? Reicht es uns, die Dreieinigkeit nur in Form der drei berühmten Äffchen widerzuspiegeln?
Oder wagen wir es, die Bibel mit offenem Herz und offenen Augen ganz neu zu lesen, und heute so mächtigen Dingen wie Fremdenangst mit biblischer Philoxenos, zu deutsch Gastfreundschaft (wörtlich aber: die Liebe zum Fremden, siehe z.B. 1Tim 3,2 oder Tit 1,8) in den Weg zu treten? Sehen wir in Luther statt einem protestantischen Heiligen ein vielleicht weniger perfektes, dafür aber mutiges Vorbild? Wollen wir mit Bonhoeffer eine neue, bekennende Kirche vorbereiten?
Die Wahl liegt ganz bei uns und wer will, kann viel aus der Geschichte lernen.
Remember, remember,...
Das Blatt mag sich in nicht allzuferner Zukunft wenden und plötzlich ist es wieder an uns, einen Entschluss zu fassen. Man erntet, was man säht, und man säht, was man lebt. Und wie wir schon aus der klassischen Evangelisation wissen, ist keine Entscheidung auch eine Entscheidung.
Welchen Weg würde Jesus gehen und wie weit sind wir bereit, zu folgen?
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