Direkt zum Hauptbereich

Was ist das?


Nie habe ich gelernt, als Deutscher stolz zu sein. Nationalstolz? Gibt es nicht in meiner Welt. Im Gegenteil. Als ich in meinem vierten Lebensjahrzehnt in den USA studierte und dort in einem Kurs eine völlig sachliche, historische Zusammenfassung des 20. Jahrhunderts auf der Leinwand gezeigt wurde, schämte ich mich plötzlich, als einziger Deutscher mitten in einer internationalen Gruppe zu sitzen und aus den Lautsprechern Hitlerdeutsch hören und verstehen zu müssen und deutsche Bomben fliegen zu sehen. Das war keine erhebende Erfahrung. Mittlerweile halte ich mich schon länger außerhalb deutscher Grenzen auf. Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft ich nun schon mit dem Hitlergruß begrüßt wurde oder wegen mir Anspielungen auf Juden gemacht wurden. Man gewöhnt sich an alles, so ist es halt, aber froh macht es mich nicht. Es ist ja gar nicht so, dass ich meinen nicht vorhandenen Nationalstolz irgendwie vermissen würde. Außer an den Tagen, wo ich den Stolz anderer Nationalitäten beim Anblick ihrer Flagge, ihres Königshauses oder was auch immer erlebe. Dann werde ich ein bisschen neidisch. Dann wünschte ich mir auch so was. Doch ich hab's nicht. Was das angeht, bin ich wohl zu deutsch und damit nationalfrigide.

Kürzlich führte mich mein Weg mit meinen Aufgaben als CA-Mentor für ein paar Tage nach Berlin. Während einiger kurzer, freier Stunden begab ich mich zum Hauptbahnhof und schlenderte von dort zum Reichstag. Zum ersten Mal in meinem Leben stand ich vor diesem historischen Gebäude, ganz allein für mich und mit etwas Zeit in der Tasche. Aus unerklärlichen Gründen wurde es mir völlig unerwartet warm ums Herz. So stand ich da, einfach nur da und betrachtete den Reichstag wie eine schöne Frau. Ich sah die Flaggen, die Menschen und genoss die Stimmung. Dann musste ich lächeln und schlenderte zurück. Was war das denn?! Ich weiß es nicht. Aber ich war froh.


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eine neue "Engelskala"?

Ich selbst kam gerade erst ins zweite Schuljahr, als die beiden Herren James Engel und Wilbert Norton ein Buch mit dem Titel " What's gone wrong with the harvest? " (Was ist mit der Ernte schiefgelaufen?) herausgaben. Nein, das Buch handelte nicht von Traktoren, Mähdreschern und Güllefässern, sondern um die Ernte der geistlichen Früchte, die Jesus von Kirche und Gemeinden erwartet. Und hier läuft ja bekanntlich so manches schief. Zur Veranschaulichung entwickelte Herr Engel, einer der Autoren, eine Skala. Auf dieser Skala konnte man leicht erkennen, wo man sich auf seiner geistlichen Reise gerade befindet. Als " Engelskala " - was nur etwas mit dem Namen des Erfinders und nichts mit Engeln zu tun hat - gelangte sie zu weltweiter Bekanntheit. Für alle, die noch nie eine Engelskala gesehen haben - so ungefähr sieht eine deutsche Version aus (von mir farblich etwas aufgepeppt): (zum Vergrößern auf's Bild klicken) Man liest die Skala im Prinzip von unten ...

Kein Funken Kritik

Diese Woche wurde dann der Fernsehbeitrag ausgestrahlt, in dem Seelsorgegespräche von Pfarrern und Pastoren heimlich aufgenommen wurden. Ein Journalist hatte sich als Seelsorgesuchender ausgegeben und um Hilfe für seine homosexuelle Neigung gebeten. (Ich hatte hier darüber geschrieben.) Die Sendung wurde nun hochgelobt und es gab nicht den geringsten Funken Kritik an den angewandten Methoden. Das Medienmagazin Pro berichtet von ähnlichen Fällen in Deutschland, wo Journalisten sich an kompetente Seelsorger wenden und um "Heilung" von ihrer Neigung bitten doch hinterher völlig entrüstet und aufgebracht darüber berichten, dass sie tatsächlich Hilfe bekommen haben. (Ich weiß allerdings nicht, ob hier auch heimliche Aufnahmen gemacht wurden.) Ich halte das heimliche Aufnehmenbewusst vertraulicher Gesprächssituationen wirklich für unfair und journalistisch unbegründet. Doch was will man machen? Die Welt will hören, was sie hören will, das war schon immer so. All die guten Hilf...

Beginn einer wunderbaren Freundschaft

Wohin wird die Reise gehen? Langsam, ganz langsam entwickelte sich die Geschichte, die hier begann . Der Gedanke, Gemeinde für ihre Kollegen zu entwickeln, ließ sie nicht mehr los. Wir trafen uns unregelmäßig über ALT, wo in meinem Kurs alles begonnen hatte. Schnell wurde ihr allerdings klar, dass ALT gewöhnliche Pastoren für gewöhnliche Gemeinden ausbildet, sie aber einen ungewöhnlichen Neustart für ungewöhnliche Menschen anstrebt. Sie fühlte sich wenig vorbereitet und eher eingeengt. Deshalb drückte sie auf Pause legte die Ausbildung bis auf weiteres auf Eis. Obwohl wir uns nicht mehr über ALT sahen, verloren wir nicht den Kontakt. In unregelmäßigen Abständen telefonierten wir, besprachen Ideen. Ich traf einen Teil ihrer Freunde und Kollegen auf einem Philosophieabend in Stockholm. Und während ich mit diversesten Herausforderungen bei Communitas zu kämpfen hatte, wurde für sie immer klarer: Wir müssen eine ganze neue Arbeit starten, die exakt auf das Leben von Künstlern und Mus...