Direkt zum Hauptbereich

Die Lehre der Leere (4): Die Katholikin

IAT16-12.jpg

Natürlich hatte ich nicht die Geringste Ahnung, was von dem Büchlein ausgehen sollte, das ich gerade in meinen Händen hielt. Für mich war es bis jetzt nicht mehr als ein kleines, gebundenes, ziemlich blödes Layout. Nichts, was ich je freiwillig in die Hand genommen hätte. Obendrein pries es sich selbst als "Klassiker" an und ich fragte mich, warum Eigenlob eigentlich nur bei Menschen stinkt. Marketing ist doch auch nichts anderes als eine legitimierte Rechtfertigung, die eigenen Fürze als Wohlgeruch anpreisen zu dürfen. Jedenfalls hatte ich weder vom "Klassiker" Schritte auf dem Weg, dem Titel des Buches, noch der Autorin Gunnel Vallquist je etwas gehört. Ich kannte nur den Namen des Verlages. Und das war auch der einzige Grund, warum ich die Buchdeckel überhaupt öffnete.

Als ich in den ersten Zeilen des Vorwortes las, dass jene Gunnel eine aufrichtige Katholikin gewesen war, hätte ich mit Nathanael augenrollend stöhnen können "was kann denn aus der katholischen Kirche schon Gutes kommen?" Schon Luther wusste, das der Papst der Antichrist war, naja, der gegenwärtige mochte vielleicht eine Ausnahme sein, aber wir Freikirchler, ja, wir, wir haben's auch schon immer gewusst, dass Katholiken eine total verkehrte Theologie glauben, aber sowas von daneben, dass Katholiken ständig im Niemandsland zwischen Institution und Aberglaube herumspuken und die Ökumene vom Teufel sein muss.

Und überhaupt, alle Argumente, die der gemeine Homo Europaticus Modernicus wie weiße Mäuse oder graue Gremlins flink aus philosophischen Hüten zu zaubern pflegte, Argumente, warum es gar völlig absurd und überholt und lächerlich ist, diesen christlichen Glauben in seiner Ganzheit ernsthaft anzunehmen, diese Argumente haben ausnahmslos alle, naja, fast alle, oder sagen wir ganz schön viele, auf jeden Fall sind es deutlich mehr als ein oder zwei, mit Kritik an der katholischen Kirche zu tun.

Sei es das uralte Zölibat zum Beispiel, dass Priester zu sexlosen Wesen verdonnert ohne ihnen die Erlösung der Kastration anzubieten und damit das gespaltene Verhältnis der katholischen Kirche zum Sex offenbart. (Wir Freikirchler haben dieses Problem natürlich nicht, denn wir sehen ja nicht auf alte Traditionen, sondern ausschließlich auf Jesus.) Oder die Kreuzzüge, ein immer wieder gern genommenes Argument gegen den Glauben, zu denen Päpste und Könige (und keine Pfingstpastoren) aufriefen, um mit Schwert und Todesmut ins Heilige Land zu ziehen.

Leicht wäre es also gewesen, jenes aus perfekter Tarnung aufgetauchte Büchlein mit schmollmündig genervter, typisch deutscher Besserwisserei zur Seite zu schieben.

Was ich zu meiner eigenen Überraschung stattdessen tat, war das Buch samt Vowort zu schließen, ein paar Sekunden in meinen Händen zu betrachten und dann wieder wahllos irgendwo mittendrin erneut zu öffnen.

Fortsetzung folgt.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eine neue "Engelskala"?

Ich selbst kam gerade erst ins zweite Schuljahr, als die beiden Herren James Engel und Wilbert Norton ein Buch mit dem Titel " What's gone wrong with the harvest? " (Was ist mit der Ernte schiefgelaufen?) herausgaben. Nein, das Buch handelte nicht von Traktoren, Mähdreschern und Güllefässern, sondern um die Ernte der geistlichen Früchte, die Jesus von Kirche und Gemeinden erwartet. Und hier läuft ja bekanntlich so manches schief. Zur Veranschaulichung entwickelte Herr Engel, einer der Autoren, eine Skala. Auf dieser Skala konnte man leicht erkennen, wo man sich auf seiner geistlichen Reise gerade befindet. Als " Engelskala " - was nur etwas mit dem Namen des Erfinders und nichts mit Engeln zu tun hat - gelangte sie zu weltweiter Bekanntheit. Für alle, die noch nie eine Engelskala gesehen haben - so ungefähr sieht eine deutsche Version aus (von mir farblich etwas aufgepeppt): (zum Vergrößern auf's Bild klicken) Man liest die Skala im Prinzip von unten ...

Kein Funken Kritik

Diese Woche wurde dann der Fernsehbeitrag ausgestrahlt, in dem Seelsorgegespräche von Pfarrern und Pastoren heimlich aufgenommen wurden. Ein Journalist hatte sich als Seelsorgesuchender ausgegeben und um Hilfe für seine homosexuelle Neigung gebeten. (Ich hatte hier darüber geschrieben.) Die Sendung wurde nun hochgelobt und es gab nicht den geringsten Funken Kritik an den angewandten Methoden. Das Medienmagazin Pro berichtet von ähnlichen Fällen in Deutschland, wo Journalisten sich an kompetente Seelsorger wenden und um "Heilung" von ihrer Neigung bitten doch hinterher völlig entrüstet und aufgebracht darüber berichten, dass sie tatsächlich Hilfe bekommen haben. (Ich weiß allerdings nicht, ob hier auch heimliche Aufnahmen gemacht wurden.) Ich halte das heimliche Aufnehmenbewusst vertraulicher Gesprächssituationen wirklich für unfair und journalistisch unbegründet. Doch was will man machen? Die Welt will hören, was sie hören will, das war schon immer so. All die guten Hilf...

Beginn einer wunderbaren Freundschaft

Wohin wird die Reise gehen? Langsam, ganz langsam entwickelte sich die Geschichte, die hier begann . Der Gedanke, Gemeinde für ihre Kollegen zu entwickeln, ließ sie nicht mehr los. Wir trafen uns unregelmäßig über ALT, wo in meinem Kurs alles begonnen hatte. Schnell wurde ihr allerdings klar, dass ALT gewöhnliche Pastoren für gewöhnliche Gemeinden ausbildet, sie aber einen ungewöhnlichen Neustart für ungewöhnliche Menschen anstrebt. Sie fühlte sich wenig vorbereitet und eher eingeengt. Deshalb drückte sie auf Pause legte die Ausbildung bis auf weiteres auf Eis. Obwohl wir uns nicht mehr über ALT sahen, verloren wir nicht den Kontakt. In unregelmäßigen Abständen telefonierten wir, besprachen Ideen. Ich traf einen Teil ihrer Freunde und Kollegen auf einem Philosophieabend in Stockholm. Und während ich mit diversesten Herausforderungen bei Communitas zu kämpfen hatte, wurde für sie immer klarer: Wir müssen eine ganze neue Arbeit starten, die exakt auf das Leben von Künstlern und Mus...