Direkt zum Hauptbereich

Katze aus dem Sack?



Immer wieder mal kommen Gruppen von Studenten zu H2O auf "studiebesök". So auch letzte Woche. Meist Bibelschüler oder Theologiestudenten, die sich für Gemeindegründung oder die Zukunft der Kirche interessieren. Die allermeisten, so ist mein Gefühl, kommen aus frommen Hintergrund und kennen keine andere Gemeindeform als die gewohnte. Deshalb lege ich grundsätzlich besonders viel Zeit und Wert darauf, unseren wichtigsten Teil der Arbeit bei H2O zu erklären; das, was wir im Missional Action Plan als embed bezeichnen: sich einbinden in den lokalen Kontext. Embedding ist ein großes, großes Manko bei vielen, vielen Gemeinden.

Für die meisten Christen ist das zwar theoretisch relativ klar und logisch, rein praktisch gibt es aber nur ziemlich wenig Christen, die echte Freunde unter ihren nichtkirchlichen Kontakten haben. Christen haben die Eigenart, sich in einer christlichen Blase abzukapseln. Ich erzähle daher Geschichten, wie es sein und aussehen kann, wenn Christen wagen, diese Blase zu verlassen.

Meist kommt dann irgendwann die Frage: "Und? Wann lasst ihr die Katze aus dem Sack? Wann sprecht ihr über Jesus?" Meine Antwort darauf ist: Es geht nicht so sehr darum, wann wir über Jesus reden. Es ist viel wichtiger, wie wir über Jesus reden. Die Katze-aus-dem-Sack-Mentalität führt nur dazu, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten, wo man predigen, evangelisieren kann. Danach hat man ein besseres Gewissen, auch wenn mein Bekannter sich nie "entscheidet". Aber immerhin habe ich das Evangelium abgeschossen, habe meine Schuldigkeit getan. Daran ist grundsätzlich auch nichts falsches, aber wenn man nicht gerade mit der Gabe der Evangelisation gesegnet ist, geht die Erfolgsrate dieser Vorgehensweise verdächtig gegen Null.

Deswegen meine ich, dass Evangelisation weniger einer Frage des Wanns als des Wies ist. Mein ganzes Leben ist eine Brief. Mein Einbetten in einen "weltlichen" Kontext ist bereits eine erste Botschaft, verkörpert man doch schon Gottes Mission. Anstatt zu predigen, kann man beginnen Fragen zu stellen, die meinen Kollegen ins Nachdenken bringen. Im Laufe der Zeit können so viel natürlichere Gespräche entstehen. Anstatt zu "evangelisieren" kann man im Augenblick der Not ein spontanes, kurzes Gebet sprechen. Hand auf die Schulter, zwei Sätze, und bevor mein Kumpel begreift, was hier abgeht, ist das Amen auch schon gesprochen. Das sind Überraschungen, die Neugier schaffen. Neugier lässt Fragen stellen, auf Fragen kann man antworten. Oder Gegenfragen stellen. Und wenn es eine echte Freundschaft ist, keine zweckgebundene Missionsbeziehung, dann wird die Zeit zeigen, was Liebe und Gnade in einer Beziehung ist.

Irgendwann wird es soweit sein, dass mein Freund sich Jesus öffnet. Oder auch nicht. Wir haben es nicht in der Hand. Was wir aber in der Hand haben, ist die Art, wie wir unser eigenes Leben leben. Eine regelmäßiges Treffen mit einem Freund über einer Tasse Kaffee kann viel mehr sagen als eine Katze-aus-dem-Sack-Evangelisation. Denn wir leben IMMER (!) genau das, was wir glauben. Wo Jesus drin ist, wird Jesus durchscheinen. Wo Jesus draufsteht, ist nicht immer Jesus drin. Doch wes das Herz voll ist, des geht der Mund über und unser Freund wird bald einsehen, woran wir wirklich glauben und ob Jesus lebenswert ist oder nicht.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eine neue "Engelskala"?

Ich selbst kam gerade erst ins zweite Schuljahr, als die beiden Herren James Engel und Wilbert Norton ein Buch mit dem Titel " What's gone wrong with the harvest? " (Was ist mit der Ernte schiefgelaufen?) herausgaben. Nein, das Buch handelte nicht von Traktoren, Mähdreschern und Güllefässern, sondern um die Ernte der geistlichen Früchte, die Jesus von Kirche und Gemeinden erwartet. Und hier läuft ja bekanntlich so manches schief. Zur Veranschaulichung entwickelte Herr Engel, einer der Autoren, eine Skala. Auf dieser Skala konnte man leicht erkennen, wo man sich auf seiner geistlichen Reise gerade befindet. Als " Engelskala " - was nur etwas mit dem Namen des Erfinders und nichts mit Engeln zu tun hat - gelangte sie zu weltweiter Bekanntheit. Für alle, die noch nie eine Engelskala gesehen haben - so ungefähr sieht eine deutsche Version aus (von mir farblich etwas aufgepeppt): (zum Vergrößern auf's Bild klicken) Man liest die Skala im Prinzip von unten

10 Dinge, die's vor 10 Jahren noch nicht gab (und warum das so wichtig für Gemeinden ist)

Herzlich willkommen im Jahre 2017!  Ich hoffe, Ihr seid gesund herübergekommen und habt allen Grund, zuversichtlich in die Zukunft zu sehen. Als wir vor 10 Jahren das erste Mal Silvester in Schweden feierten, hatten wir gerade erst damit angefangen, Ansätze und Ideen für die Gemeinde der Zukunft zu entwickeln. Aus einem kleinen, bayerischen Dorf kommend kam es uns damals grad so vor, als seien wir selber direkt in die Zukunft gezogen. Doch heute möchte ich Euch 10 Dinge vorstellen, die es vor zehn Jahren noch gar nicht gab - bzw. von denen zu Silvester 2006 noch keine Rede war. Wenn Ihr die Liste seht, werdet Ihr manchmal denken: ”Echt jetzt?! Das gab’s da noch nicht?!” In der Tat, es ist schwer zu glauben. So sehr haben wir uns heute an so manches gewöhnt. Legen wir los: Nummer 1: YouTube Streng genommen wurde YouTube schon 2005 gegründet, aber vor 2007 hat’s in unserem Teil der Welt kaum jemand beachtet. Heute ist eine Welt ohne das Videoportal undenkbar: Rezepte, Trail

Wer erntet die dicksten Kartoffeln?

Wer es noch nie gesehen hat, dem sei es hiermit gezeigt: Unsere Gesellschaft setzt sich aus vielen Subkulturen zusammen. Das Bild ist ein Beispiel für Deutschland, wo sich das Sinusinstitut in seinen sogenannten "Milieustudien" auf zehn Milieus oder Kartoffeln begrenzt. Sinus macht solche soziologischen Studien in erster Linie für Firmen, die ihr Produkt möglichst punktgenau in einer passenden Zielgruppe vermarkten wollen. Es ist eine fantastische Brille, mit der man klarer sehen kann, mit wem man es eigentlich zu tun hat und wie die gewünschten Kunden so ticken. Wenn sich Pastoren, Pfarrer oder ganz normale Christen diese Brille auf die Nase setzen, sehen die meisten entweder rot oder schwarz. Einigen wird auch gerne schwindelig oder sogar so schlecht wie bei einem Horrortrip. Warum nur? Weil Sinus ebenfalls herausgefunden hat, dass Kirchen und Gemeinden, völlig egal welcher Farbe, Konfession oder Denomiation, fast ausschließlich aus einem ca. 15% großen Segment am lin