Direkt zum Hauptbereich

Frankfurt kritisiert den Papst


Hört, hört, der Papst wird unbequem. Dass die FAZ gestern einen ansehnlichen Artikel mit ordentlicher Kritik zu inhaltlichen Aussagen des Papstes veröffentlicht, finde ich höchst interessant. Und es zeigt mir dreierlei.

Erstens: Es wird gehört, was der Papst sagt. Und nicht nur das, es wird sogar ernstgenommen, denn in Mainhattan fühlt man sich ja ganz offenbar persönlich angesprochen. So sehr sogar, dass man meint, sich rechtfertigen zu müssen. Damit wird deutlich, dass Deutschland längst nicht so säkular ist, wie man vielleicht meint. In einem wirklich säkularen Land könnten Papst & Co. sich die Münder fusselig predigen und es erschiene in keiner einzigen weltlichen Zeitung. In solchen Ländern fragt man sich nach Lektüre der Presse, ob es überhaupt noch Religion auf der Welt gibt, außer den lebensgefährlichen Fanatikern freilich.

Zweitens ist diese Diskussion ein winziges Symptom der riesigen, globalen Veränderungen, die derzeit auf unserem Planeten vor sich gehen. Ein anderes Klima, mehr Bevölkerung, Verlagerung der Kirche in den Süden der Welt, eine heranreifende, veränderte Weltordnung, ein neuer Papst mit offenen Augen und einem offenen Herz. Sollte es mich überraschen, dass die deutsche Wirtschaft alten Zeiten hinterherträumt? Zeiten, als Kirche und Staat noch machen konnten, wie es ihnen dünkte? Schließlich war Kirche doch über Jahrhunderte ein Garant für Starre, pardon, Stabilität. In all den Umbrüchen jetzt auch noch ein bockiger Papst - nein, das möchte man nicht. Da wird Johannes Paul II. als Vorbild gelobt, ja, der hatte es noch begriffen, hatte sich leicht zum Kapitalismus bekehren lassen. Franziskus möchte man auch noch dorthin bringen. Deshalb predigt man ihm mit erhobenen Zeigefinger, dass es schließlich der Kapitalismus war, bitte schön, der Kapitalismus, der die Not der Welt gelindert hat.  Eine - wie soll ich sagen? - amüsante Predigt derer, die höchstens wissen, wie Not sich laut Duden buchstabiert.

Und drittens wird wieder einmal schmerzlich deutlich, wie sehr es der Kirche während ihrer langen Ehe mit dem Staat geglückt ist, den wahren Schatz des Evangeliums ausgerechnet in imposanten Gotteshäusern einzumauern. Trotz aller Bibel- und anderer Zitate beweist der Artikel mit trauriger Deutlichkeit: Niemand hat begriffen, worum es in der Bibel wirklich geht. Keiner scheint zu wissen, dass weder Reichtum noch wirtschaftlicher Erfolg nach biblischen Maßstab schlecht ist. Geld ist keine Sünde, Erfolg zu haben auch nicht. Was Gott allerdings zur Weißglut bringt, sind Dinge wie z.B. Ungerechtigkeit, Arroganz, Selbstsucht oder Ausbeutung Schwächerer zum eigenen Vorteil. Frankfurt ist eine sehr reiche Stadt. Reich an diesen Dingen. So etwas schreibt natürlich niemand freiwillig auf seine Homepage. Es geschieht immer im Verborgenen und es braucht Propheten, die es aufdecken. Verkündiger, die sich nicht scheuen, den wahren Schatz des Evangeliums wieder auszugraben: Gott teilt das Meer für die Unterdrückten, die Unterdrücker lässt er drin ersaufen. Wer in Frankfurt Ohren hat, der höre.

Freikirchliche Predigten mögen bislang nicht lauter gewesen sein als ein Piepsen aus dem Mauseloch. 180 Seiten Papier eines neuen Papstes und Deutschland zuckt zusammen. Ich möchte in diesem Fall den Papst und nicht die FAZ mit meinem eigenen Mäusestimmchen unterstützen. Weil Gott nicht Mammon heißt und damit weder gegen die Armen ist und auch nicht über ihnen steht. Er ist für sie und Er ist mit ihnen. So auch die Gemeinde, sein irdischer Körper: Die Gemeinde befindet sich weder mitten unter den Armen noch an ihrer Seite. Die Armen sind die Gemeinde. Warum sonst wurde der irdische Körper des Allmächtigen ausgerechnet in einem vor Armut stinkenden Stall geboren? 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eine neue "Engelskala"?

Ich selbst kam gerade erst ins zweite Schuljahr, als die beiden Herren James Engel und Wilbert Norton ein Buch mit dem Titel " What's gone wrong with the harvest? " (Was ist mit der Ernte schiefgelaufen?) herausgaben. Nein, das Buch handelte nicht von Traktoren, Mähdreschern und Güllefässern, sondern um die Ernte der geistlichen Früchte, die Jesus von Kirche und Gemeinden erwartet. Und hier läuft ja bekanntlich so manches schief. Zur Veranschaulichung entwickelte Herr Engel, einer der Autoren, eine Skala. Auf dieser Skala konnte man leicht erkennen, wo man sich auf seiner geistlichen Reise gerade befindet. Als " Engelskala " - was nur etwas mit dem Namen des Erfinders und nichts mit Engeln zu tun hat - gelangte sie zu weltweiter Bekanntheit. Für alle, die noch nie eine Engelskala gesehen haben - so ungefähr sieht eine deutsche Version aus (von mir farblich etwas aufgepeppt): (zum Vergrößern auf's Bild klicken) Man liest die Skala im Prinzip von unten ...

Kein Funken Kritik

Diese Woche wurde dann der Fernsehbeitrag ausgestrahlt, in dem Seelsorgegespräche von Pfarrern und Pastoren heimlich aufgenommen wurden. Ein Journalist hatte sich als Seelsorgesuchender ausgegeben und um Hilfe für seine homosexuelle Neigung gebeten. (Ich hatte hier darüber geschrieben.) Die Sendung wurde nun hochgelobt und es gab nicht den geringsten Funken Kritik an den angewandten Methoden. Das Medienmagazin Pro berichtet von ähnlichen Fällen in Deutschland, wo Journalisten sich an kompetente Seelsorger wenden und um "Heilung" von ihrer Neigung bitten doch hinterher völlig entrüstet und aufgebracht darüber berichten, dass sie tatsächlich Hilfe bekommen haben. (Ich weiß allerdings nicht, ob hier auch heimliche Aufnahmen gemacht wurden.) Ich halte das heimliche Aufnehmenbewusst vertraulicher Gesprächssituationen wirklich für unfair und journalistisch unbegründet. Doch was will man machen? Die Welt will hören, was sie hören will, das war schon immer so. All die guten Hilf...

Beginn einer wunderbaren Freundschaft

Wohin wird die Reise gehen? Langsam, ganz langsam entwickelte sich die Geschichte, die hier begann . Der Gedanke, Gemeinde für ihre Kollegen zu entwickeln, ließ sie nicht mehr los. Wir trafen uns unregelmäßig über ALT, wo in meinem Kurs alles begonnen hatte. Schnell wurde ihr allerdings klar, dass ALT gewöhnliche Pastoren für gewöhnliche Gemeinden ausbildet, sie aber einen ungewöhnlichen Neustart für ungewöhnliche Menschen anstrebt. Sie fühlte sich wenig vorbereitet und eher eingeengt. Deshalb drückte sie auf Pause legte die Ausbildung bis auf weiteres auf Eis. Obwohl wir uns nicht mehr über ALT sahen, verloren wir nicht den Kontakt. In unregelmäßigen Abständen telefonierten wir, besprachen Ideen. Ich traf einen Teil ihrer Freunde und Kollegen auf einem Philosophieabend in Stockholm. Und während ich mit diversesten Herausforderungen bei Communitas zu kämpfen hatte, wurde für sie immer klarer: Wir müssen eine ganze neue Arbeit starten, die exakt auf das Leben von Künstlern und Mus...